Ausgabe 13

In dieser Ausgabe: Evgeny Beleninov im Youtube-Fund der Woche, Noten von Olga Amelkina-Vera, Album der Woche vom New Zealand Guitar Quartet, Know-How mit Emiliano Verrino und eine ungwöhnliche Duo-Kombi

Hey!

Willkommen zur Ausgabe 13/24 unseres Newsletters.

Heute gibt’s Gitarren- und Film-Virtuosen in Personalunion, ein ganz neues Album eines gerade aufgelösten Ensembles und eine Kammermusikbesetzung, die eigentlich nicht funktionieren sollte.

Klingt verrückt, ist aber tatsächlich so.

Außerdem machen wir noch einen Abstecher ins Wunderland von Alice und gehen einer Frage nach, die uns sicher alle hin und wieder beschäftigt.

Wir haben wieder mega viel uns vorher Unbekanntes entdeckt. Und Neues zu entdecken, stößt – zumindest bei uns – Glückshormone aus.

Was uns ganz besonders Freude gemacht hat, war ein (Verlinkungs)-Fehler der uns in der englischen Version der letzten Ausgabe unterlaufen ist. Nicht wegen des Fehlers, sondern weil viele von euch so lieb darauf hingewiesen haben, ohne uns einen Vorwurf zu machen. Macht das immer gerne. Es ist darüber hinaus schön, in den Austausch zu kommen und immer wieder zu erleben, was für eine coole Community es für dieses Instrument gibt! 

Viel Spaß beim Lesen!

YOUTUBE-FUND DER AUSGABE
mit Evgeny Beleninov

Yup. Wir sollten über dieses wunderschöne Stück sprechen. Machen wir vielleicht an anderer Stelle noch mal. Scarlattis Musik ist einfach eine Ohrenweide. Hier wird Scarlatti wunderbar interpretiert von Evgeny Beleninov. An Klarheit kaum zu übertreffen. Auch mega Sound. Aber was darüber hinaus auch besonders ist: Der Interpret hat sich hier selbst gefilmt. Das ist jetzt aber kein Selfie-Video. Sondern vom Hintergrund (Gold), bis zum Schnitt und dem Colour-Grading einfach nur super schick gemacht.

Man merkt, dass da eine weitere Leidenschaft zum Filmen mitschwingt. Die Schnitte sind dezent und das leichte Rein- und Rauszoomen ist so geschmackvoll wie das Spiel von Evgeny. Sorry Evgeny, aber da sagen wir: Leute, macht das nach.

Wer sich nach dem Anschauen des Videos jenseits von Evgenys Musikalität noch von dessen Virtuosität überzeugen möchte, dem sei sein Album Paris Buenos Aires auf den Streaming-Plattformen empfohlen, auf dem er neben Musik von Astor Piazzolla auch alle 12 der berühmten Villa-Lobos-Etüden aufgenommen hat (checkt mal Etüde No. 2). 

NOTEN
Olga Amelkina-Vera – In the Golden Gleam

Die richtige Inspirationsquelle für eine Komposition ist oft schon die halbe Miete für den gewünschten Flow beim Schreiben. Für Olga Amelkina-Vera waren es die Geschichten von Alice, deren ganz eigen gezeichnete traumhafte Welt sie zu ihrer Trilogie In the Golden Gleam inspirierte. “Es hat mir eine große Freude bereitet, musikalische Möglichkeiten zu entdecken, um die Bilder und Stimmungen der Alice-Bücher abzubilden.”

Die Miniatur der heutigen Ausgabe ist der Beginn einer ganz wunderbaren Reise mit Stationen in Alices Wunderland und Blicken hinter die Spiegel. Uns hat sowohl das Stück als auch das Konzept dahinter direkt abgeholt und so freuen wir uns, einen kleinen Teil dieser Geschichte mit euch zu teilen.

Lasst euch verzaubern!

Weitere Hintergrundinfos zum Stück findet ihr hier:
https://www.olgaamelkinavera.com/solo-guitar/in-the-golden-gleam

Bei Interesse an der kompletten Notenausgabe könnt ihr Olga hier kontaktieren:
https://www.olgaamelkinavera.com/contact
https://www.instagram.com/olgaamelkinavera/

ALBUM DER AUSGABE
New Zealand Guitar Quartet

Ein gerade erschienenes Album von einem aufgelösten Ensemble?

“Nach beinahe eineinhalb Jahrzehnten des Musizierens beendet das New Zealand Guitar Quartet seine Karriere. Allerdings nicht ohne zuvor noch ein letztes Album zu veröffentlichen: Equinox.“ So schreibt das Radio New Zealand. Und was für ein Schlussakkord das ist – kann man mal so machen.

Wenn wir uns nicht verzählt haben, sind es 26 Tracks auf dem Album. Ein Longplayer im wahrsten Sinne. Und es geht richtig zur Sache. “Dynamo”, das erste Stück vom britischen Komponisten Gary Ryan, ist ein perfekter Opener. Folky und richtig energievoll gespielt, macht das Stück sofort Lust auf den Rest des Albums.

Die Suite “Equinox” (1-4) von Michael Williams ist sicher Namensgeber des Albums. Man hört die Polystilistik des neuseeländischen Komponisten schon in dieser Suite durch. Mal wild dissonant bei gleichzeitig heftigem Groove, dann wieder lyrisch und sanft in konventionellerer Sprache. Der durchgehende Schlag in Nummer zwei und die dann einsetzende orientalisch inspiriert klingende Melodie ziehen einen richtig rein und haben etwas Geheimnisvolles. Bitte mehr für Gitarre in dieser im besten Sinne „Patchwork-Klangsprache“.

Ein weiteres Highlight des Albums ist für uns “Perpetuus I” von Marek Pasieczny. Wir werden das Album weiter aufsaugen.

Im Sport geht es oft darum, zum richtigen Zeitpunkt auf dem Höhepunkt aufzuhören. Für Musiker*innen spielt Alter in dem Sinne keine Rolle. Der Schlussakkord des Ensembles ist hier aber ein gewaltiger. Auf der LP und symbolisch als Statement des Ensembles mit diesem Album. Aber es gibt ja auch immer die Möglichkeit eines Comebacks. :)

Fänden wir geil! 

KNOW-HOW
mit Emiliano Verrino

Wie steht es eigentlich um die klassische Gitarre?

Eine Frage, die uns regelmäßig immer wieder beschäftigt. Auf die es sicher eine Antwort im Sinne einer globalen Schnittmenge gibt und die gleichzeitig sehr individuell beantwortet werden kann. Urban, ländlich, national, kontinental – auf vielen Ebenen eigene Bubbles, die sich innerhalb unserer internationalen Gitarren-Community bewegen.

Uns hat interessiert, was Emiliano Verrino dazu sagt. Er konzertiert regelmäßig als Gitarrist und Mandolinist, solo oder im Duo, zuletzt mit David Garrett zur Opus Klassik Gala im Konzerthaus Berlin. Als Fachgruppenleiter der Berliner Musikschule Friedrichshain-Kreuzberg hat er einen tiefen Einblick in die aktuelle Ausbildungssituation für den Nachwuchs an der Gitarre. 

Was hat sich in der Ausbildung an der Gitarre getan/verändert?

Ich habe in Italien studiert. Damals habe ich schon mit zwölf einen Platz an der Hochschule für Musik in Rom bekommen und ich durfte schon als Kind neben der Schule hochkarätigen Gitarrenunterricht von Professor*innen bekommen und die Atmosphäre einer Musikhochschule erleben. Das Studium ging zehn Jahre lang und ich finde es vernünftig, weil man Zeit braucht, um das Instrument zu meistern.

Heutzutage existiert so ein Studium nicht mehr in Italien und Student*innen haben wegen der vielen Nebenfächer nicht so viel Zeit übrig, um sich auf das Hauptfach zu fokussieren. Das Niveau der Studierenden bleibt hoch, aber nicht in allen Hochschulen für Musik. Die Pandemie hat wahrscheinlich eine große Rolle in dieser Hinsicht gespielt …

Wie steht es um das Interesse für die Gitarre und die klassische Gitarre im Speziellen?

Ich glaube, dass das Interesse für die Gitarre immer noch groß ist. An den Musikschulen ist Konzertgitarre eines der beliebtesten Instrumente (400+ Anmeldungen in der Warteliste meiner Musikschule!) und sie wird nach wie vor für ihre Vielseitigkeit (und Vielsaitigkeit) geschätzt.

An welchem Punkt steht für dich die klassische Gitarrenwelt aktuell? In Bezug z. B. auf das Repertoire, das gespielt wird, die Community, die Außenwirkung für Konsument*innen der Musik in Form von Konzerten etc.

In den letzten Jahren wurden alte Kompositionen wiederentdeckt und neue Ausgaben veröffentlicht, viele neue Stücke wurden beauftragt oder komponiert.

Meiner Meinung nach haben Wettbewerbe heutzutage an Wichtigkeit verloren, auch da die Einzigartigkeit der Künstler*innen mehr geschätzt wird. Nicht mehr nur das reine technische Können. Vermutlich spielen kreative Videos und soziale Medien eine Rolle bei dieser Veränderung.

Was Konzerte betrifft: Das Publikum bevorzugt heute originelle Ideen und interessante Besetzungen eher als schweres Repertoire.

Was wünschst du dir für die Zukunft des Instruments?

Ich wünsche mir herzlich in erster Linie, dass in Deutschland alle Honorarlehrkräfte an den Musikschulen eine Festanstellung bekommen. Ansonsten würden fast alle Gitarrenschüler*innen ihren Unterrichtsplatz verlieren und es gäbe überhaupt keine Zukunft für das Instrument.

Wenn du einen Satz auf ein Plakat drucken lassen könntest, das in riesiger Auflage bei allen (klassischen) Musik-Festivals der Welt hängen würde. Welcher wäre das? 

Classic is not jurassic!

Emilianos aktuelle CD-Einspielungen und Videos findet ihr hier auf seiner Homepage: https://www.emilianoverrino.com/news/ 
Wir empfehlen, mal reinzuhören … ;)

GITARRE UND…Fagott
Angela M. Santiago and Frances Karim Chiroque
spielen J.S. Bach – Siciliana

Um nicht lange drumherum zu reden: Das hier haben wir aufgrund eines Insiders entdeckt. Es sei uns vergönnt. 

Kurz: Als wir dem Ruf des Geldes folgend zum Lernen eines Zupfinstrumentes in eine andere Stadt zogen, ergab sich ziemlich schnell ein erweiterter Freundeskreis, der mehr oder weniger bis heute Bestand hat und der aus 5 bis sagen wir 15 Gitarrist*innen und einem Fagottisten bestand. Grüße gehen raus Flo. ;)

Fagott und Gitarre als Duo sind aber nun auch keine Standard-Kammermusikbesetzung. Klar, bei der Kombination könnte man erstmal skeptisch sein. Zumal ähnliches Register etc. Wir haben jetzt aber was entdeckt, das uns so gut gefallen hat, dass man mal drüber nachdenken sollte, warum wir da überhaupt nie drüber nachgedacht haben …

OUTRO

Wir hoffen, wir konnten euch für die Künstler*innen der Ausgabe begeistern. Uns war's wieder eine große Freude, so viele unterschiedliche Alben, Komponist*innen, Videos und tolle Menschen zu entdecken! Einiges ist dann auch auf der Liste für die nächste Ausgabe gelandet. Zum Beispiel ein Interview zum Thema Komponieren mit der wunderbaren Laura Snowden. Bleibt uns gewogen und neugierig. 

Herbstliche Grüße

Stefan & Willi

New Classical Guitar ist ein Newsletter von Willi Leinen und Stefan Degel von TMBM. Unsere Musik und weitere Infos zu unserem Werdegang findet ihr unter t-m-b-m.com

Auf Spotify kuratieren wir eine Playlist mit unseren Lieblingsstücken. Ihr könnt unserer New Classical Guitar Playlist unter https://open.spotify.com/playlist/3ZwxJRAsW9Zs2JiS2eLy6a?si=9b2a737f01c043a4 folgen und uns gern neue Empfehlungen schicken.