- New Classical Guitar
- Posts
- Ausgabe 14
Ausgabe 14
In dieser Ausgabe: Simon Farintosh im Youtube-Fund der Woche, Noten von Craig Perry, Album der Woche von Kavall, Know-How mit Laura Snowden und ein Duo mit mächtig viel Saiten
Hey!
Willkommen zur Ausgabe 14/24 unseres Newsletters. Heute wird’s magisch, sphärisch, filmisch und der Jahreszeit entsprechend musikalisch auch etwas ruhiger.
Kernstück und Highlight der heutigen Ausgabe ist unser Know-how-Kurzinterview mit Laura Snowden. Über Kreativität und Inspiration im Zusammenhang mit dem Komponieren.
Außerdem: Boards of Canada auf Gitarre transferiert, Noten eines Komponisten, der auch Waldbrände löscht (keine Metapher), und ein Filmmusik-Klassiker in einer neuen Variante.
Hingewiesen sei nochmal auf unsere Spotify-Playlist zum Newsletter, auf der ihr viele Künstler*innen aus allen Ausgaben findet:
Gerne auf Spotify folgen und… auf diese Mail antworten, falls ihr ein neues Album oder ein Stück für die Playlist habt.
Wir wünschen viel Spaß beim Lesen und Hören!
YOUTUBE-FUND DER AUSGABE
mit Simon Farintosh
Elektronische Musik mit epischen Synth Pads auf Gitarre übertragen. Geht das? Ja, das geht!
Boards of Canada ist ein schottisches Elektronik-/Ambient-Duo. Richtig wunderbare entspannte Downtempo-Musik. Mehrere Platten befinden sich in unserem Studio. Die Alben The Campfire Headphase ( 2005) und Tomorrow's Harvest (2013) zählen zu unseren Favorites, aber auch Twoism von 2002 dreht sich ab und an auf unseren Plattentellern. Auf diesem Album befindet sich auch der Track „Melissa Juice“, den Simon Farintosh in unserem Video der Woche arrangiert und aufgenommen hat!
Das bedeutet auch, dass Boards of Canada jenseits von ihrer Soundwelt Melodien und Harmonien bauen, die selbst klangreduziert in anderem Kontext funktionieren. Mehr davon!
Wir sind Fans vom Original und freuen uns darüber, das jetzt mal auf Gitarre zu hören! Danke Simon!
NOTEN
Craig Perry – Retonicizing the Noösphere
Gitarrist und Gitarrenlehrer, Gitarrist und Hochschulprofessor, Gitarrist und Content-Creator. Es gibt Kombinationen, die man häufiger antrifft, die auf den ersten Blick auch naheliegend sind.
Gitarrist und Feuerwehrmann?
Willkommen in Craig Perrys Welt. Einerseits löscht er Brände in Kalifornien, andererseits komponiert er wunderschöne Musik für Gitarre.
Craigs Kompositionen sind etwas Besonderes und da er nur handschriftlich komponiert, haben wir uns die Mühe gemacht, das Stück mit seiner Erlaubnis abzutippen.
Es hat sich gelohnt: “Retonicizing the Noösphere“ (Retonikalisierung der Nooshpäre) – der Titel macht eine Tür auf, mit der man sich philosophisch auseinandersetzen möchte, ja eigentlich muss. Genau wie der Titel bringt auch die Komposition mit jedem tieferen Eintauchen mehr Klarheit.
Zum Titel mögen zwei kurze Definitionen hilfreich sein:
Von Tonikalisierung spricht man in der Musiktheorie, wenn vorübergehend eine andere als die I. Stufe (der Grundton eines Stücks) als Tonika einer Komposition gedeutet wird.
Die Noosphäre ist die Sphäre des menschlichen Bewusstseins und der geistigen Aktivität, besonders in Bezug auf ihren Einfluss auf die Biosphäre und die Evolution.
Craig sagt dazu Folgendes: “Wenn wir doch nur den gegenwärtigen allgemeinen Bewusstseinszustand der Welt (ohne zwischenmenschliche Verbindung, individualistisch, selbstbezogen) so tonikalisieren könnten, dass er sich mehr auf Verbindung und Altruismus gründet.”
Wer mehr über Craigs spannendes Leben erfahren will, dem sei diese Podcast-Episode empfohlen: https://open.spotify.com/episode/4rVLDlyDcUBgEflf5PVhXp?si=IGDI9CXwQma5mi5V9PbpJA (A Podcast about Multi-passionate Life)
Oder kommt mit ihm via Instagram in Kontakt:
https://www.instagram.com/_craiper_/
ALBUM DER AUSGABE
Kavall
Das Album der Woche ist für uns in dieser Ausgabe Inmitten von Kavall. Die LP liefert neun sehr fein gewebte Minimalstücke. Mit seiner eigenen Soundästhetik erfindet Kavall eine magische Welt, sein immersives Konzept der Spatial Guitar hat etwas Mehrdimensionales, Großes, was man so von einer Solo-Gitarre nicht erwarten würde. Sie wird zu einem räumlich spielbaren Instrument mit unabhängigen Stimmen.
Besonders gut gefällt uns die sphärische Klangästhetik des Stückes „Cycle“. Da kann man sich richtig gut reinverlieren. Aber auch „Flageolets“ hat uns sofort mitgerissen.
Kleiner Tipp: Heute Abend Licht ausmachen, Kopfhörer auf und die ganze Platte mal auf sich wirken lassen.
KNOW-HOW
mit Laura Snowden
„Der Instinkt ist ein mächtiges Werkzeug“! Ein Satz zum An-die-Wand-Sprühen (im besten Sinne), wo immer ihr auch komponiert.
Ohne jetzt die üblichen Superlative zu bemühen, Laura Snowden ist sicher nicht nur für uns eine sehr spannende und hoch kreative Musikerin. Ihre Kreativität und Neugier, aber auch ihr magischer Ton beim Spielen haben uns schon länger sehr fasziniert und nachdem wir euch hier im Newsletter bereits ihr Stück „The Strange World of Spiders“ ans Herz gelegt hatten, waren wir sehr neugierig darauf, zu hören, wie Laura an’s Komponieren herangeht und was sie inspiriert.
Wir haben uns sehr darüber gefreut, dass Laura sich die Zeit genommen hat. Hach, manchmal bedauern wir auch die Kürze des Formats. Allerdings hat es auch etwas für sich, die Befragten dazu zu bewegen, komprimiert auf den Kern zu kommen.
Übrigens: Als wir erfahren haben, was für Künstler*innen-Typen Laura inspirierend findet, hat sich für uns die Frage aufgedrängt: Fühlt man sich musikalisch unbewusst zu Künstler*innen hingezogen, die auch über die klassische Musik hinaus eine ähnliche ästhetische Welt präferieren? Wussten wir ja vorher nicht … Eine spannende Frage, der wir an anderer Stelle mal nachgehen sollten.
Hi Laura, wie entsteht bei dir eine Idee für eine neue Komposition? Wie machst du nach der ersten Idee weiter?
Das kommt ganz darauf an! Manchmal habe ich eine bestimmte Geschichte, eine emotionale Reise oder Lebenserfahrung, über die ich schreiben möchte. Manchmal habe ich aber auch eine Idee, die ich durch Improvisationen entwickle, und das ist dann der Ausgangspunkt, von dem aus sich die „Story“ des Stücks entwickelt. Nach der anfänglichen Idee geht es dann eigentlich nur noch ums Experimentieren, ums Ausprobieren, darum, Dinge zu ändern, nachzudenken, auf Spaziergängen oder unter der Dusche auf Ideen zu kommen … Das Konzept des Stücks ändert sich oft vom Beginn bis zur Fertigstellung sehr stark. Manchmal geht es am Ende um etwas ganz anderes als das, was ich ursprünglich dachte!
Gibt es neben der Musik eine andere Kunstform, die dich beim Schreiben inspiriert, oder hast du andere Inspirationsquellen?
Viele der Künstler*innen, die mich wirklich inspirieren, haben einen Ansatz, der mir sehr ganzheitlich erscheint, bei dem ich (zumindest von außen) das Gefühl habe, dass jeder Aspekt ihres Wesens in ihre Kunst einfließt und dass sie sich auf vielfältige Weise ausdrücken. Viele dieser Künstler*innen sind Sänger*innen, Komponist*innen, Poet*innen, Tänzer*innen und bildende Künstler*innen in einer Person. Einige der Künstler*innen, die ich besonders bewundere, sind Sinead O'Connor, Björk, FKA Twigs, Laurie Anderson, Little Simz, Lauryn Hill und Kate Bush.
Wie bringst du kreative Arbeit wie Komponieren/Arrangieren und Üben für ein Konzert oder eine Aufnahme unter einen Hut? Wie würde dein idealer Tag aussehen?
Wenn möglich, reserviere ich gerne Zeit für ein bestimmtes Projekt. So sage ich mir vielleicht: „Diesen Monat bereite ich meine nächsten Konzerte vor und komponiere nebenbei“, oder „diesen Monat stelle ich eine Komposition fertig und übe nebenbei“. Aber das kann schwierig sein, denn manchmal kommen alle Projekte auf einen Schlag! Ich genieße es sehr, dass meine Arbeitstage oft sehr unterschiedlich aussehen, je nachdem, ob ich für Konzerte unterwegs bin oder zu einer Probe gehe oder ob ich zu Hause komponiere. Es ist ein Jonglierakt, denn in gewisser Weise profitiere ich von Routine, aber ich mag auch Neues und Abwechslung!
Wenn dich ein*e junge*r klassische*r Gitarrist*in fragen würde, wie er*sie anfangen kann, auf dem Instrument kreativ zu sein, was würdest du ihm*ihr sagen?
Ich würde sagen, dass man sich absolut keine Sorgen machen sollte, wenn man feststellt, dass einem das, was man anfangs kreiert, nicht gefällt. Mir fallen viele Sachen ein, die ich nicht mag! Für mich ist das alles Teil des Prozesses und der Schlüssel ist, weiterzumachen. Es kann schön sein, sich jemanden auszusuchen, der dir nahe steht und der deine Kreativität wirklich fördert, und ihm oder ihr ein kurzes Stück schreiben, vielleicht nur eine Minute, z. B. zum Geburtstag. Das könnte den Druck nehmen, ein “großes” Stück zu komponieren, und der*die Empfänger*in könnte davon wirklich berührt sein! Ich glaube, dass manche Leute meinen, sie bräuchten ein gewisses Maß an Theorie oder Wissen, um mit dem Komponieren beginnen zu können – ich selbst glaube das nicht! Ich glaube, dass der Instinkt ein mächtiges Werkzeug ist. Und man lernt, indem man es tut!
Mehr über Laura Snowden:
https://www.laurasnowden.co.uk/
https://www.instagram.com/laurasnowdenguitar
GITARRE UND…Harfe
Duo Multicorde
spielt Cavatina von Stanley Myers
Zum Abschluss bleiben wir sphärisch. Gitarre und Harfe. Was für eine schöne, sich gegenseitig befruchtende Besetzung.
Das Duo Multicorde spielt hier „Cavatina“ von Stanley Myers, wobei die Harfe hier eine so weite Ebene aufmacht, dass man nur so weggebeamt wird. Das Stück ist wohl das bekannteste von Stanley Myers und ist unter anderem aus dem Thema zum Film Deer Hunter in Erinnerung (dort eingespielt von John Williams). In dieser Version mit Harfe auch ganz wunderbar.
OUTRO
Wir hoffen, wir konnten euch ein Stück mitnehmen. Uns war's wieder eine große Freude, so viele unterschiedliche Künstler*innen zu entdecken und viel, viel Musik zu hören.
Bis in zwei Wochen!
Es grüßen
Stefan & Willi
New Classical Guitar ist ein Newsletter von Willi Leinen und Stefan Degel von TMBM. Unsere Musik und weitere Infos zu unserem Werdegang findet ihr unter t-m-b-m.com
Auf Spotify kuratieren wir eine Playlist mit unseren Lieblingsstücken. Ihr könnt unserer New Classical Guitar Playlist unter https://open.spotify.com/playlist/3ZwxJRAsW9Zs2JiS2eLy6a?si=9b2a737f01c043a4 folgen und uns gern neue Empfehlungen schicken.