Ausgabe 15

In dieser Ausgabe: Dimitris Soukaras im Youtube-Fund der Woche, Noten von Jonas Khalil, Album der Woche von Marko Topchii, Know-How mit Nora Buschmann und eine Zeitreise in die Gegenwart

Hey!

Willkommen zur Ausgabe 15/24 unseres Newsletters. Eine besondere Location im Video der Ausgabe, besondere Kompositionen beim Album der Woche, besondere Reisefreudigkeit und Neugier im Interview und eine besondere Idee in unserer Kategorie “Gitarre und…”.

Wir wünschen euch besonders viel Freude beim Lesen.

YOUTUBE-FUND DER AUSGABE
mit Dimitris Soukaras

Omni on Location ist eine Serie der Omni Foundation aus San Francisco, in der Gitarrist*innen weltweit an besonderen Orten (meist in ihrer jeweiligen Heimat) spielen.

Dimitris Soukaras tut dies hier in Griechenland. Die Location ist fantastisch – das Stück spektakulär. Längst ein Klassiker im Gitarren-Repertoire ist “Fuoco” (aus der Libra Sonatine) von Roland Dyens. Ein wilder Ritt, der sich immer mehr beschleunigt – von den Herzschlag imitierenden Bendings über schnelle Arpeggios bis hin zum grandiosen Slapbass-Finale.

Und wenn die Kamera die letzten Töne begleitet, merkt man, wie cool das ist, Stücke an verschiedenen spektakulären Locations zu sehen, weil es die Wucht hier bildlich verstärkt. Nicht unerwähnt soll bleiben, dass nicht nur das Zusehen Spaß macht. Auch auditiv ist die Interpretation von Dimitris eine große Freude!

NOTEN
Jonas Khalil - Seven Minimal Miniatures, No.V 

Unsere Schwäche für Minimal-Musik haben wir jetzt schon ein paar Mal durchblicken lassen. Eine Miniatur als Grundidee für diese Kategorie – hat auch meistens geklappt ;)

Mit seinen 7 Minimal Miniatures hat Jonas Khalil so sehr ins Schwarze getroffen, dass wir sehr happy sind, eine seiner Miniaturen (Nr. V – “Vivace”) in dieser Ausgabe zu featuren. Ein tolles Stück für Zwischendurch, von dem man vor allem technisch gut was mitnehmen kann. Nach dem Motto: Kurz, aber würzig.

Eine Aufnahme davon findet ihr auf seinem 2023 erschienenen Album Unikhat – lohnt auch, sich das Album mal ganz reinzuziehen!

ALBUM DER AUSGABE
Marko Topchii

Interpretatorische Höchstleistungen möchten wir natürlich mitnichten vernachlässigen, doch euch ist vielleicht schon aufgefallen, dass wir gerne Composer/Performer-Künstler*innen featuren. War ja zu Sors, Chopins, Bachs (you name it) Zeiten auch nicht anders.

Trotzdem ist es heute aber wieder einmal an der Zeit für uns, ein Album zu hören, das einen interpretatorischen Fokus hat. Und was für einen. Ein Album mit einer Auswahl an super spannenden Stücken und dynamischen Kontrasten.

Es ist Marko Topchiis neuestes Album, anlässlich seines letztjährigen GFA-Gewinns bei Naxos erschienen.

Um es gleich vorwegzunehmen: Dies ist kein Album mit üblichen Repertoire-Stücken, ausgenommen “Un sueño en la floresta” von Barrios vielleicht. “Hommage à Ravel” aus Cinq hommages français von Arnaud Dumond ist wunderschön und lyrisch. Ab geht’s im Kontrast  dazu bei den drei ausgewählten Studi di virtuosità e di trascendenza von Angelo.

Highlight ist sicher die Sonate “Kharkiv” von Konstantin Bliokh. Side-Info: Bliokh ist genau wie Marco Topchii Ukrainer.

Große Empfehlung. Anhören.

KNOW-HOW
mit Nora Buschmann

Reisen als Grundbaustein für die (künstlerische) Identität? Eine sich stetig wandelnde Inspirationsquelle, die in einem Menschenleben wohl nie versiegt.

Nora Buschmann hat diese Quelle angezapft und wird seit Jahrzehnten davon getragen. Man könnte auch guten Gewissens sagen: beflügelt.

Wir freuen uns sehr, dass Nora sich für unsere Fragen Zeit genommen hat. Wir wollen diesmal gar nicht so viel über ihre Person vorwegnehmen. Denn auch wenn das Interview sicher mehrere Seiten hätte füllen können, zeichnet es doch ein sehr umfängliches Bild.

Wenn wir Nora Buschmann trotzdem kurz und knapp mit vier Eigenschaften beschreiben müssten: Menschenfreundin, Netzwerkerin, von Neugier getrieben und – mega Gitarristin! Uns hat interessiert, wie sie das Leben an verschiedenen Orten der Welt prägt. Menschlich, künstlerisch, in ihrer Lehrtätigkeit – und auch, wie es um die Rolle der Frau im internationalen Kontext steht. 

Lest selbst und lasst euch von Noras Sicht auf die Dinge anstecken!

Hi Nora, du bist ja im gewissen Sinne eine Reisende und hast in Ländern wie Griechenland, Argentinien, Spanien und Deutschland gelebt und immer den Kontakt zur dort ansässigen Musikszene gesucht. Was hat das aus dir – als ursprünglich klassisch ausgebildete Gitarristin – gemacht?

Ich glaube Reisen verändert uns, bildet unseren Geschmack und erweitert den Blickwinkel. Gerade für Musiker*innen ist es fast eine Art Notwendigkeit. Da ich aus der DDR komme, war mir die Welt, die wir bereisen durften, zu eng, zu beschränkt. Ich wollte immer andere Kulturen und Sprachen kennenlernen. Musik ist auch Kommunikation, eine universelle Sprache. Zuerst lernte ich “laufen" oder tanzen in der griechischen oder argentinischen Folklore, dann ließ ich diese in mein Repertoire und meine Spielweise einfließen. Mein Lebensweg hat mich zu einer Art Weltmusikerin gemacht. Ich wurde sogar schon als musikalische Kulturbotschafterin bezeichnet.

Wie gelingt dir der Brückenschlag zwischen klassischer Musik und Musik aus den jeweiligen Ländern, in deren Musikkultur du eingetaucht bist?

Das passiert von ganz allein. Wenn du in einem anderen Land lebst und eine fremde Sprache lernst, anderen Bräuche, anderen Codes in der Musikkultur, unbekannten Rhythmen und Spielweisen begegnest, dann nimmst du sie auf, wie ein Kind. Man muss sich dem hingeben mit viel Offenheit und Neugier. Später wird es ein Teil von dir und du kannst dieses Wissen in dein eigenes Spiel einfließen lassen. Es ist wie eine Entdeckungsreise. Wir können beispielsweise die unglaubliche Vielfalt der lateinamerikanischen Musikstile, die auch von Traditionen aus Europa und dem Gitarrenland Spanien beeinflusst sind, wieder mit dem Ton und unserer klassischen Technik vermischen. Der Brückenschlag gelingt mir auch, weil ich einige Komponist*innen anregen konnte, für mich zu schreiben.

Was nimmst du aus den Kulturen, die du kennengelernt hast, mit in deine Tätigkeit als Dozentin und Lehrerin?

Mein Anliegen ist es zu öffnen, Augen, Ohren und Herzen, und natürlich zu verbinden. Musik ist heilend. In der heutigen Welt ist dies auch eine große Chance, sich über und mit Musik zu verständigen, wie es beispielsweise das West-Eastern Divan Orchestra von Daniel Barenboim tut. Was ich meinen Studierenden mitgeben kann, ist, ihnen zu zeigen und vorzuleben, dass uns Musik reicher macht, glücklicher macht und den anderen besser verstehen lässt. In Deutschland, dem Ursprungsland von Bach, Beethoven und Brahms, wünsche ich mir eine solche Einsicht: MACHT VIEL MEHR MUSIK!

Wir hatten in Ausgabe 9 die Rolle der Frau in der klassischen Gitarrenwelt und dem klassischen Kanon thematisiert. Welche Erfahrung hast du gemacht? Gibt es da international Unterschiede?

In Weimar, wo ich von 1984 bis 1990 studierte, gab es Ursula Peters, Monika Rost und andere starke Vorbilder aus dem Ostblock. Ich bin also mit weiblichen Vorbildern groß geworden. Aber trotzdem war ich in meiner professionellen Laufbahn als Konzertistin und Professorin bei Festivals und im Kollegium an der Musikhochschule eher eine Art Ausnahme. Viele Festivals wie "Guitarras del mundo" in Argentinien, wohin ich seit über 20 Jahren eingeladen werde, oder auch in Griechenland, ist die Gitarrenszene mittlerweile moderner, vermehrt mit jüngeren Gitarristinnen vermischt als in Deutschland. Gerade war ich in Prag bei einem Festival eingeladen, welches zwei junge Frauen organisieren. Ich wünsche mir mehr Selbstverständlichkeit und weniger diese starren, veralteten Strukturen.

Wenn du einen Satz auf ein Plakat drucken lassen könntest, das in riesiger Auflage bei allen (klassischen) Musik-Festivals der Welt hängen würde. Welcher wäre das? 

OHNE MUSIK WÄRE DAS LEBEN EIN IRRTUM! (Friedrich Nietzsche)

UNTERSTÜTZT MUSIK BESSER!

Wer Nora Buschmann musikalisch näher kennenlernen möchte: Ihre aktuelle CD De Berlín a Buenos Aires mit Musik des argentinischen Komponisten Carlos Moscardini können wir nur empfehlen! 

De Berlín a Buenos Aires anhören:
https://lnkfi.re/norabuschmann

GITARRE UND…Animation

Das Capriccio No. 18 aus den 24 Capriccios de Goya ist ja ohnehin immer wieder hörenswert und es gibt viele spannende Interpretationen, zum Beispiel die von Zoran Dukić. Was aber der israelische Gitarrist Guy Woodcock hier gemacht hat, ist ein Projekt, das uns so noch nicht oft über den Weg gelaufen ist. Die Rückführung ins Bild. „The Goya of our Time“ lautet der Titel des Videos. Eine animierte Zeitreise mit Smartphone und Guy ist als Interpret auch im Video zu sehen!

Mehr spoilern wir nicht. Tolle Idee! Anschauen! 

OUTRO

Wir hoffen, wir konnten euch mitnehmen auf eine weitere Entdeckungsreise. Uns war's wieder eine besondere Freude, so viel tolle Musik zu hören!

Feedback und Anregungen gerne wie immer als Antwort auf diese Mail!

Wir hören und lesen uns! 

Stefan & Willi 

New Classical Guitar ist ein Newsletter von Willi Leinen und Stefan Degel von TMBM. Unsere Musik und weitere Infos zu unserem Werdegang findet ihr unter t-m-b-m.com

Auf Spotify kuratieren wir eine Playlist mit unseren Lieblingsstücken. Ihr könnt unserer New Classical Guitar Playlist unter https://open.spotify.com/playlist/3ZwxJRAsW9Zs2JiS2eLy6a?si=9b2a737f01c043a4 folgen und uns gern neue Empfehlungen schicken.