Ausgabe 27

In dieser Ausgabe: Merce Font im Youtube-Fund der Woche, Album der Woche von Dale Kavanagh, Noten für die Morgenroutine mit Leon Albert, Know-How mit Merce Font und die Feel-good-Melodie der Woche mit dem Moses Yoofee Trio

Hey!

Es gibt Wiederkehrendes und doch auch immer wieder Neues. Vertraut sind nur unsere Kategorien, neue Impulse und Inspirationen bringt jede*r Künstler*in, den*die wir neu- oder wiederentdecken. Bis auf unsere Jubiläumsausgaben, in denen wir einem Themenfokus zuträglich oftmals intensiver mit einem*einer Gitarrist*in gesprochen haben, ist es uns stets wichtig, die Kategorien nicht doppelt mit einer Person zu besetzen. Heute aber soll eine Ausnahme gelten und das ist dem Umstand geschuldet, dass Merce Font kurz nach unserer Interviewanfrage zum Thema Online-Unterricht, in dem sie mit ihrer MFA Academy zweifelsohne eine der Expertinnen weltweit ist, ein Bach-Video veröffentlicht hat, das uns einfach – dürfen wir jetzt mal explizit sagen – sehr, sehr begeistert hat. Deshalb ist Merce heute in beiden Kategorien vertreten, und das zu Recht.

Jetzt aber viel Freude beim Lesen und auschecken!

Stefan und Willi

YOUTUBE-FUND DER WOCHE
mit Merce Font

“Präzision ist schön”, sagt Merce im Interview und Präzision ist das erste Attribut, das uns bei aller Schönheit dieser Interpretation des Allegros aus Bachs zweiter Violinsonate in den Sinn kommt – und das von Beginn an. Hier wird so wunderbar präzise artikuliert. Um genau zu sein, ist es vor allem die Genauigkeit, mit der Merce die punktierten Sechzehntel des Hauptmotivs, die später wiederholt, sequentiert, variiert werden, die hier so wohltuend wirkt.

Merces Interpretation ihres Arrangements hat eine unaufgeregte Leichtigkeit, eine Virtuosität, die sich nicht aufdrängt, und beim Hören stellt sich eine innerliche Zufriedenheit ein, denn trotz des Tempos behält das Allegro in Merces Interpretation seine strukturelle Klarheit. Das hat ein bisschen was von dem Blick, den wir bei klarer Luft von einem Berg aus haben: Alles breitet sich vor uns aus und jedes Detail fügt sich in den Gesamteindruck ein, ohne ihn zu stören. Wir sind angetan und empfehlen, das Video am Morgen zu schauen. Das wirkt ordnend und bringt eine herrliche Klarheit.

ALBUM DER WOCHE
mit Dale Kavanagh

To be honest: Bei der Recherche nach Neuerscheinungen geht uns das ein oder andere Highlight auch mal durch die Lappen. Dieses hier kam dann doch nochmal zum Vorschein. Vielleicht lag es am Albumtitel: Dale Kavanagh & Friends klingt erstmal nicht so nach einem klassischen Titel für ein klassisches Gitarrenalbum. Aber er hat uns dann doch aufhorchen lassen. Die eigenen Stücke nicht ausschließlich selbst oder mit ihrem Amadeus Guitar Duo einzuspielen, sondern das in unterschiedlichen Besetzungen mit Freund*innen zu teilen, finden wir eine schöne Idee von Dale Kavanagh! Man hört bei den Aufnahmen auch eine gewisse Wohlfühlatmosphäre raus, die einen musikalischen Dialog mit Tiefgang zu befeuern scheint. Mal wieder eines dieser besonderen Alben, in die man sich reinziehen und -fallen lassen kann. Der Film vor dem inneren Auge startet synchron zum Play-Button!

Wir sind selbst große Fans davon, sich Orte als Inspirationsquelle zu suchen. Deshalb hat es uns „The Ghost of Peggy’s Cove” besonders angetan. Da haben wir uns tatsächlich kurz in Kanada wiedergefunden. An einem geschichtsträchtigen Ort. Ein bewegendes Stück, das für uns zum einen die Vergangenheit vergegenwärtigt, zum anderen eine Art innere Ruhe ausstrahlt, die man in Peggy’s Cove verspüren mag. Welche Bilder entstehen bei euch, wenn ihr dieses Stück auf euch wirken lasst?

Wir freuen uns sehr, hörenderweise Bekanntschaft mit Dale Kavanagh, ihren Freund*innen und ihren wunderbaren Kompositionen gemacht zu haben.

MORGEN-ROUTINE
Auf einen Kaffee mit Leon Albert

Hi Leon, was ist die Routine für diese Woche?

Wieder eine Emotion als Titel bzw. sogar ein ganzer Emotionscocktail. Die Eifersucht ist wirklich kein gern gesehener Gast im Hause Albert. Sie zeigt sich zum Glück extrem selten, kann mir aber dann überall auflauern, mich verfolgen. Da hilft es am besten, sie zu thematisieren und zur Ablenkung seltsame Musik zu schreiben. Mit diesem Stück könnt ihr üben, etwas zu spielen, was eigentlich gar nicht so gut zur Gitarre passt und nicht optimal liegt. So etwas läuft uns da draußen ja doch auch immer wieder mal über den Weg.

KNOW-HOW
mit Merce Font

Merce Font ist nicht nur eine äußerst talentierte Gitarristin – sie hat auch eine Online-Akademie aufgebaut, die mehr bietet, als man sich in Sachen Online-Unterricht wünschen kann.

Im Gespräch mit ihr wurde uns klar, dass sie nicht die Person für Netflix und Chillen ist. Sie hat eine Mission, und die besteht darin, ihren Studierenden an der MFA Academy den größtmöglichen Nutzen zu bieten. Wir haben uns über den Online-Unterricht unterhalten und müssen sagen, dass es uns wieder einmal von den Socken haut, wie vielseitig die Gitarren-Community ist und wie viel Know-how es gibt.

Danke Merce, dass du dir die Zeit genommen hast, unsere Fragen zu beantworten.

Hi Merce! Was sind deiner Meinung nach die Hauptvorteile des Online-Unterrichts gegenüber dem Präsenzunterricht?
Die wichtigsten Unterrichtsstunden sind diejenigen, von denen wir uns wünschen, dass wir sie mit den Ohren von heute noch einmal erleben könnten. Man geht inspiriert und voller Insights aus dem Raum – aber mit der Zeit verschwimmen die Details. Man erinnert sich an das Gefühl, nicht an die Worte. Online ist das völlig anders. Meine Studierenden bauen sich eine eigene Bibliothek mit kommentierten Sitzungen, Wiederholungen und Analysen auf, die sie jederzeit zugreifen können – egal, ob sie ein Stück jetzt lernen oder es sich Jahre später wieder vornehmen. Und wenn sie mit mehr Erfahrung zurückkehren, sprechen dieselben Lektionen anders zu ihnen – was einst als schwierig empfunden wurde, wird zugänglich, und tiefere Schichten der Interpretation kommen zum Vorschein.

Wie gehst du online an technische Themen heran, insbesondere an Dinge wie Tonerzeugung oder Handhaltung?
Mehrere Kamerawinkel helfen den Studierenden, klar zu sehen – aber Technik geht über Winkel hinaus. Außerhalb des regulären Unterrichts haben wir konzentrierte Sitzungen, in denen sie das Geübte mit voller Aufmerksamkeit vortragen. Wir isolieren bestimmte Bewegungen, verfeinern Details und passen Intensität und Wiederholungen an, bis wir den optimalen Punkt für jede*n Studierende*n gefunden haben. Wir variieren die Übungen gemeinsam, loten vorsichtig die Grenzen aus, und dabei wird jeder Schritt gespeichert – Videos, Partituren, Noten –, damit sie jederzeit wieder darauf zurückkommen und ihre Technik immer weiter vertiefen können. Auf diese Weise bleibt der Unterricht musikalisch, während die technische Arbeit zu einer strukturierten, sich kontinuierlich entwickelnden Reise wird.

Kannst du einen Moment schildern, in dem eine Studierender in einer Online-Lektion echte künstlerische Fortschritte gemacht hat – etwas, das dir wirklich im Gedächtnis geblieben ist?
Es ist schon oft passiert, mit so unterschiedlicher Musik wie Giuliani, Bach oder Ponce – wenn die Studierenden ankommen und sich darauf konzentrieren, so sauber und korrekt wie möglich zu spielen, immer durch die Technikbrille. Aber dann sehen wir uns die Struktur an, die Entscheidungen des*der Komponist*in und die interpretatorischen Möglichkeiten, die sich daraus ergeben – und etwas verändert sich. Man sieht es in ihrem Gesicht, als würden sich viele Türen auf einmal öffnen. Plötzlich geht es nicht mehr darum, korrekt zu sein, sondern darum, etwas auszudrücken. Ein großer Teil des Stresses fällt von ihnen ab, das Spiel gewinnt an Persönlichkeit und Richtung. Dieser Moment, wenn sie merken, dass sie in der Musik sie selbst sein können – dieser Funke, diese Freude, das bleibt immer bei mir.

Gibt es ein künstlerisches Projekt, von dessen Verwirklichung du träumst – vielleicht ein bestimmtes Album, eine Zusammenarbeit oder ein Konzept, worüber du schon lange nachdenkst?
Im Moment verfolge ich keinen großen künstlerischen Traum – ich konzentriere mich auf die Arbeit, die ich hier und jetzt tun kann: Singles aufnehmen, Videos produzieren und meine Akademie pflegen, die ständig wächst und sich weiterentwickelt. Ich würde gerne noch mindestens eine weitere Single in diesem Jahr veröffentlichen, aber mit allem, was bei mir hinter den Kulissen geschieht, ist das schon eine große Herausforderung. Manchmal besteht das Projekt einfach darin, konsequent bei der Sache zu bleiben – im Stillen zu schaffen, sinnvoll zu arbeiten – und darauf zu vertrauen, dass sich das nächste Kapitel entfalten wird, wenn es an der Zeit ist.

Wenn du einen Satz auf ein Plakat drucken lassen könntest, das in riesiger Auflage bei allen (klassischen) Musik-Festivals der Welt hängen würde. Welcher wäre das?
Präzision ist schön, aber Ehrlichkeit ist unvergesslich.

Mehr zu Merce findet ihr auf ihrer Homepage: https://www.mercefont.com/

FEEL-GOOD-MELODIE DER WOCHE
mit Moses Yoofee Trio

Eine beschwingte und positive Melodie! Da hat man gleich Lust, morgens aus dem Bett zu springen. Oder mitten am Tag mal in den Himmel schauen. Stress? Bad News? Kurz die Kopfhörer auf, die Haare in den Wind und aufgesprungen auf den Zug der guten Laune!

Unsere Feel-good-Melodie der Woche!

OUTRO

Vielen Dank fürs Lesen! Wir selbst werden die nächsten Wochen wieder viel Musik hören und das empfehlen wir euch auch – und wir empfehlen unsere Playlist zum Newsletter (Link weiter unten), weil da wieder so viel Neues und Schönes drauf ist, was wir in den letzten Wochen entdecken durften.

Seid gut zueinander. Wir hören und lesen uns!

Stefan & Willi

New Classical Guitar ist ein Newsletter von Willi Leinen und Stefan Degel von TMBM. Unsere Musik und weitere Infos zu unserem Werdegang findet ihr unter t-m-b-m.com

Auf Spotify kuratieren wir eine Playlist mit unseren Lieblingsstücken. Ihr könnt unserer New Classical Guitar Playlist unter https://open.spotify.com/playlist/3ZwxJRAsW9Zs2JiS2eLy6a?si=9b2a737f01c043a4 folgen und uns gern neue Empfehlungen schicken.