Ausgabe 3

In dieser Ausgabe: Karlijn Langendijk spielt Chick Corea, Noten von Ladislav Pazdera, das Album der Ausgabe von Stelios Kyriakidis, Know How mit Ingo Reddemann und Musik von den Omar Massa & Jerzy Chwastyk

Hey!

Wow, wir sind wirklich begeistert, wie viele Menschen bereits jetzt diesen Newsletter lesen. Und das zur “erst” dritten Ausgabe. Vielen Dank für deinen Support.

Zentrales Thema in dieser Ausgabe des New Classical Guitar Newsletters: Rhythmus und Timing. Ein Chick-Corea-Arrangement von Karlijn Langendijk ist unser Video der Woche und Ladislav Pazdera versorgt uns mit einem tollen Stück für Gitarrenduo zum Download. Danach wird es filmreif – mit Stelios Kyriakidis bei unserem Album der Woche. Den klassischen Schlagzeuger und Pop-Produzenten Ingo Reddemann befragen wir über Rhythmus und Timing und zu guter Letzt stürzen wir uns in unserer Kategorie “Gitarre und…” in die wunderbare Welt des Tangos. Denn auch hier spielt Rhythmus eine zentrale Rolle.

Viel Spaß beim Lesen!
Stefan & Willi

YOUTUBE-FUND DER AUSGABE
Karlijn Langendijk spielt Chick Corea

Chick Corea sollte vielen ein Begriff sein. Eine Ikone des zeitgenössischen Jazz, sowohl als Pianist als auch als Komponist. Wir finden es immer wieder spannend und gewagt zugleich, Musik von solchen Größen auf der Gitarre zum Klingen zu bringen. Es ist und bleibt eine Gratwanderung, komplexe und vielschichtige Kompositionen, die nie für Gitarre gedacht waren, auf unser Instrument zu übersetzen.  Und umso schöner, wenn der Plan so aufgeht wie in diesem Fund der Woche. 

Karlijn Langendijk bringt Amando’s Rhumba von Chick Corea mit einem bis ins Detail gefeilten Arrangement auf die Saiten, differenziert und höchst geschmackvoll gespielt. Der “Lost Place” als Videolocation trifft natürlich unseren Berliner Geschmack und passt sehr gut zur Stimmung des Rhumba. Im Zusammenspiel mit den verschiedenen Spielpositionen – meist stehend, mal cool angelehnt eine groovige Bassline, etwas verträumt schaukelnd auf einem funky “Schaukelreifen” zum kurzen Runterkommen – bekommen sowohl Musik als auch Video das gewisse Sahnehäubchen aufgesetzt. Macht wirklich Spaß, das Video zu sehen und dem coolen Arrangement von Karlijn zu lauschen.

Hier erfahrt ihr mehr über Karlijn: karlijnlangendijk.com

NOTEN
Ladislav Pazdera – Shifting Sands

Wie in jeder Ausgabe möchten wir auch heute wieder ein tolles Stück zum kostenlosen Download in Notenform präsentieren. Ladislav Pazdera taucht immer wieder in verschiedenen Konstellationen als Interpret, Arrangeur und Komponist in der Gitarrenwelt auf. Mal im Duo mit Karlijn Langendijk, mal ein Feature mit Claire Besson oder Reentko Dirks. Zuletzt erschien 2023 ein Soloalbum namens „Chiaroscuro“ von ihm. Wir freuen uns, hier einen Teil seiner neuesten Komposition „Shifting Sands“ für Gitarrenduo vorzustellen.

Du darfst dich auf rhythmisch spannend ineinandergreifende Stimmen mit repetitivem Charakter freuen. Wer gerne mit Skordatur (abweichende Stimmung der Saiten von der handelsüblichen Gitarrenstimmung) arbeitet, ist mit dem Stück ebenfalls gut bedient.

Hier gibt es aktuelle CDs und Noten von Ladislav Pazdera: www.lpazdera.com/my-products

ALBUM DER AUSGABE
Stelios Kyriakidis – 508 Days

Sehr fein gewebt ist das Debütalbum von Stelios. Eigenkompositionen, die durch Filmmusik, Neoklassik und Folk inspiriert klingen. Fließende Arpeggios, subtile Melodien. Einfach schön. Ein Ruhepol in einer sehr bewegten Zeit. “508 Days” beschreibt einen Zeitabschnitt, den der griechische Gitarrist in relativer Isolation in einem Dorf in seiner Heimat verbrachte, anschließend durch Europa reiste, bevor er zurück nach London zog, wo er seit geraumer Zeit beheimatet ist. Ein Album, das uns Sonne in verregnete Tage bringt und uns wegträumen lässt. Klanglich sind wir von den sehr nahen Aufnahmen mit subtilem Hall begeistert.

Unsere Empfehlung der Woche!

Stelios’ Website: www.stelioskyriakidis.com

KNOW-HOW 
4 Fragen an Ingo Reddemann über Rhythmus und Timing:

1. Wie können klassische Musiker*innen von Popmusiker*innen profitieren und andersherum?  

Klassische Musiker:innen sind oft extrem gut im Blattlesen. Das ist echt beeindruckend, wenn z. B. ein*e Korrepetitor*in eine Orchesterpartitur aufschlägt und alles vom Blatt spielt. 

Meiner Erfahrung nach gehen Popmusiker*innen in den meisten Fällen sehr nach ihrem Gehör an Musik ran. Da gibt es ein extrem gutes Gefühl für Phrasen, ein super Timing-Gefühl und ein unfassbar gutes Erinnerungsvermögen für Details.

Ich glaube, alle können nur profitieren, wenn sie sich voneinander inspirieren lassen.

2. Was ist (Mikro-)Timing für dich?

Timing ist für mich die professionellere Beschreibung für „das groovt“, oder „das rastet ein“ und bezieht sich im technischen Sinn auf die Positionierung von Noten im Verhältnis zu einer Zeitachse. 

Aber Timing hat auch immer etwas mit Kontext zu tun. Während die Musik in einem Housetrack z. B. davon profitiert, dass der Kick rhythmisch exakt quantisiert ist, kann Timing in Live-Situationen mit einer Band oder einem Orchester auch mal variieren. Wenn hier alle Musiker*innen in einem gemeinsamen Flow oder eben Timing spielen, kann das einen extrem guten Effekt erzielen.

3. Wie geht man an komplexere Rhythmen heran ? (Polyryhthmen, Quintolen, Septolen z.B.)

Ich glaube, um dieses Thema gibt es einen riesigen Mythos. Ich habe immer wieder die Erfahrung gemacht, dass die meisten (oftmals klassischen) Musiker*innen denken, „jetzt wird’s besonders schwierig“. Dabei ist das Konzept eigentlich immer dasselbe. Wenn ich in einer Zeiteinheit (z. B. einer Viertelnote) 4 Noten einbauen kann (also vier 16tel-Noten pro Viertelnote), kann ich genauso 5, oder 7 Noten unterbringen. Der Konflikt liegt vor allem in unserer musikalischen Ausbildung und unserer westlich geprägten Musikkultur. 4/4tel ist den meisten sehr vertraut. Ein Großteil der Musik, die wir konsumieren, folgt der „binären“ Hörkultur. „Komplexere“ Rhythmen sind sehr unterrepräsentiert. Dadurch werden sie wohl auch wenig gelehrt und weniger weitergegeben. Die Folge: Wir nehmen diese rhythmischen Figuren als komplexer und schwieriger wahr. 

Ich versuche, diesen Rhythmen dieselbe Bedeutung wie den 4 Sechzehnteln in einer Viertelnote zu schenken und sie beim Üben genauso zu berücksichtigen. Dadurch nehme ich sie nicht als Problem wahr, weil sie mir genauso geläufig sind. 

4. Angenommen, du hast eine Melodie vor dir liegen: Wie entwickelst du einen Groove bzw. ein Rhythmus-Pattern dazu?

Kommt ganz auf die Melodie an oder was ich produzieren/komponieren will. Zuerst würde ich sie mir anhören. In den meisten Fällen habe ich dann direkt eine erste Idee. Und falls nicht: Die Melodie kommt auf jeden Fall schon mal mit irgendeiner rhythmischen Information. Hier würde ich ansetzen und schauen, wie ich diesen Rhythmus unterstützen oder erweitern kann.

Ingo Reddemann gastiert als Schlagzeuger regelmäßig bei namhaften Orchestern wie z. B. dem Konzerthausorchester Berlin oder der NDR Radiophilharmonie. Weitere Engagements führten ihn auf Tourneen durch die ganze Welt und ließen ihn mit Musikern wie Sir Simon Rattle oder Robbie Williams auf der Bühne stehen. Als Musikproduzent für elektronische Musik und Popmusik tritt er seit 2022 in Erscheinung und veröffentlicht unter anderem für SOAVE Records.

GITARRE UND…
Omar Massa (Bandoneon) & Jerzy Chwastyk (Gitarre) spielen Libertango von Astor Piazzolla (Arr. Omar Massa)

An dieser Stelle im Newsletter wie immer eine hörenswerte Kombination von klassischer Gitarre mit anderen Instrumenten. Heute: Omar Massa (Bandoneon) & Jerzy Chwastyk (Gitarre) spielen Libertango von Astor Piazzolla. Die Kombi aus Bandoneon und Gitarre wirkt ausgefallen und klassisch zugleich. Liegt vielleicht daran, dass man die beiden Instrumente unweigerlich mit dem Tango verbindet, aber nicht gemeinsam in einem Duo erwartet. Das Arrangement des Klassikers von Astor Piazolla lässt die beiden Instrumente verschmelzen, als wären sie füreinander geschaffen. Omar Massa ist DER Bandoneonspieler unserer Zeit. Er wird sogar als „neuer“ Astor Piazolla gehandelt. Jerzy Chwastyk steht dem an der Gitarre in nichts nach und es ist eine Freude, den beiden Virtuosen bei ihrem Handwerk zuzusehen. Wir sind sehr angetan von dieser Libertango-Interpretation und freuen uns, sie mit euch zu teilen! Aufgenommen in einer Begegnungsstätte für Tango namens Nou Tango in Berlin. Übrigens ist Berlin in Europa der Tango-Hotspot schlechthin. Hier wird die Kunst des Tanzes und der Musik an unzähligen Orten zelebriert. Enjoy! 

Mehr zu Omar Massa: www.omarmassa.com
Mehr zu Jerzy Chwastyk: www.jerzychwastyk.com

OUTRO

Wie immer hoffen wir, dir mit dem Newsletter eine kleine Freude gemacht zu haben. Anregungen sind jederzeit willkommen. In der nächsten Ausgabe geht es um den amerikanischen Kontinent und die Wiederentdeckung eines wahrscheinlich weitgehend vergessenen US-amerikanischen Komponisten. Mit Manuel María Ponce und Heitor Villa-Lobos beschäftigen wir uns außerdem mit zwei bekannten lateinamerikanischen Komponisten. Außerdem: Im Gespräch mit zwei besonderen Menschen, die sich mit dem Bau von Gitarren beschäftigen. Vielen Dank fürs Lesen.

Es grüßen,
Stefan & Willi 

New Classical Guitar ist ein Newsletter von Willi Leinen und Stefan Degel von TMBM. Unsere Musik und weitere Infos zu unserem Werdegang findest du unter t-m-b-m.com

Auf Spotify kuratieren wir eine Playlist mit unseren Lieblingsstücken. Du kannst unserer New Classical Guitar Playlist unter https://open.spotify.com/playlist/3ZwxJRAsW9Zs2JiS2eLy6a?si=9b2a737f01c043a4 folgen und uns gern neue Empfehlungen schicken.