Ausgabe 31

In dieser Ausgabe: Ihor Kordiuk im Youtube-Fund der Woche, Album der Woche von Sotiris Athanasiou, Noten für die Morgenroutine mit Leon Albert, Know-How mit Stephan Kane und die Feel-good-Melodie der Woche mit Avi Avital

Hey!

Es ist September und wir haben noch ein paar sommerliche musikalische Grüße zum Frühherbst.

Ihor Kordiuk arrangiert und interpretiert die wundervolle Fantasie aus der Sonate in C-Moll von Silvius Leopold Weiss, das Album der Woche widmet sich thematisch ausschließlich der griechischen Mythologie und im Detail sogar mit der ältesten Melodie der Welt. Leon Albert hält in der Noten-Rubrik noch etwas am August fest und fragt sich, was ihr alles verschiebt für mehr Freizeit, aber vor allem, wohin ihr seine Ideen auf dem Griffbrett verschiebt.

Und dann sind wir super froh, mit Stephan Kane einen sehr spannenden Interview-Partner zu haben, der schon seit über acht Jahren für die wunderbare und größte Konzertreihe in Nordamerika arbeitet: Die Omni Foundation.

Und: Für alle, die jemanden kennen, der im September Geburtstag hat, haben wir als Feel-good-Melodie „Happy Birthday“ im Vivaldi-Style von Avi Avital zum Weiterleiten. Selbiges dürft ihr natürlich auch sehr gerne mit diesem Newsletter machen.

Wir wünschen viel Spaß beim Lesen, Hören und Schauen.

Stefan und Willi

YOUTUBE-FUND DER WOCHE
mit Ihor Kordiuk

Den musikalischen Zugewinn beim Anspruch, Stücke, die für ein anderes Instrument geschrieben wurden, selbst zu arrangieren, haben wir schon öfter im Newsletter thematisiert. Insbesondere auch bei Kompositionen, von denen es bereits eine Vielzahl von Arrangements gibt, mag man schnell versucht sein, unkritisch auf diese zurückzugreifen.

Ihor Kordiuk hat das bei der Fantasie aus der Sonate in C-Moll von Silvius Leopold Weiss nicht getan. Er hat sie selbst arrangiert. Das Stück klingt bei ihm in D-Moll, was sinnvoll und gängig ist.

Was aber vor allem begeistert, ist seine tief emotionale und musikalisch wunderschön gestaltete Interpretation der Fantasie. Der Kontrast aus dem feinfühlig und gleichzeitig anpackend gespielten improvisatorischen Gestus des Anfangs und der angenehm klar gestalteten Stimmen im weiteren Verlauf der Fantasie hat uns begeistert.

Und wem das nicht reicht, um Ihor Kordiuk mit seiner Weiss-Interpretation auszuchecken, dem sei verraten, dass auch das Video sehr stilvoll gemacht ist und die Schnitte und Perspektiven geschmacklich äußerst delikat gesetzt und gewechselt werden.

ALBUM DER WOCHE
mit Sotiris Athanasiou

Der Sommer neigt sich dem Ende und so wird es wieder Zeit, sich ein paar warme Gitarren-Tunes für die kalten Monate zurückzulegen. Sotiris Athanasiou hat dafür schon mal ein Album bereitgestellt.

Mythen der griechischen Antike als Inspirationsquelle zu nehmen, ist der einen oder dem anderen sicher schon untergekommen. Auf seinem Album Kithara spielt Sotiris dabei durchweg neue Kompositionen, denen ebendieses Thema zugrunde liegt. Einen ganzen Zyklus namens „Gods of Olympus“ hat der Komponist Benoit Mussard zum Beispiel den griechischen Göttern gewidmet. Uns gefallen besonders die verschiedenen Kompositions- und Spieltechniken, die bei der Vielzahl an Kompositionen verwendet werden, während jede für sich das gleiche Thema umkreist.

Ein besonders schönes Beispiel dafür ist das Schlussstück „Seikilos“. Hier greift Athanasiou das berühmte Seikilos-Epitaph auf, das die älteste vollständig erhaltene Melodie der Welt enthält. Zusammen mit der Stimme von Vasiliki Koltouki wird daraus kein museales Relikt, sondern ein zarter, lebendiger Ausklang des Albums, der den Bogen von der Antike bis in unsere Gegenwart spannt.

Und das alles wirklich wunderbar interpretiert und fein gespielt von Sotiris Athanasiou. Hört euch die Platte an!

MORGEN-ROUTINE
Auf einen Kaffee mit Leon Albert

Hi Leon, was ist die Routine für diese Woche?

Den Sommer genießen und nicht zu früh davon sprechen, dass er zu Ende geht – so macht man sich einen schönen August. (Gilt auch für September; Anm. d. Red.) Ebenso wie die immer noch warmen Nächte für spontane Aktivitäten gut sind, lädt auch dieses Stück zu Spontanität bzw. Improvisation mit den einzelnen Ideen ein. Lobos-artige Verschiebe-Strategien mit Leersaiten sind einfach immer wieder schön – was verschiebt ihr alles für mehr Freizeit im Kalender und wohin schiebt ihr meine Idee auf dem Griffbrett? Viel Spaß!

KNOW-HOW
mit Stephan Kane

Stephan Kane ist mittlerweile seit acht Jahren in verschiedenen Positionen und Funktionen für OMNI, die wohl bekannteste und und größte (klassische) Gitarren-Serie in Nordamerika tätig. Uns hat interessiert, wie er das mittlerweile von Berlin aus macht, welche Rolle die Digitalisierung von Konzertformaten für Omni spielt, welche Unterschiede er persönlich zwischen der Kultur der Konzertgitarre in Nordamerika und der in Europa sieht und was er für Visionen für die klassische Gitarre hat. Und weil Stephan in erster Linie auch selbst ein begeisterter Gitarrist ist, hat er auf unsere letzte Frage eine sehr praktische und doch philosophische Antwort. Wir freuen uns sehr darüber, dass Stephan sich die Zeit genommen hat, uns unsere Fragen zu beantworten.

Hi Stephan! Du arbeitest nun schon seit einiger Zeit für Omni. Was bedeutet es, Chief Operations Officer von Omni, einer renommierten Konzertreihe in Kalifornien, zu sein, insbesondere aus der Ferne? 
Die Omni Foundation for the Performing Arts startet in ihre 45. Saison mit 26 Gitarrist*innen in 12 Konzerten. Sie gilt als die größte Gitarrenreihe in Nordamerika, vielleicht sogar weltweit. Der künstlerische Leiter Richard Patterson ist der Impresario, der die Künstler*innen für die Reihe auswählt, und er ist seit meinem Einstieg vor acht Jahren als 31-jähriger freiwilliger Student am San Francisco Conservatory of Music ein enger Mentor für mich. Ich habe bei Omni verschiedene Funktionen ausgeübt, von Operations Manager über General Manager und Digital Media Director bis hin zu Chief Operations Officer. In jeder dieser Funktionen habe ich wertvolle Fähigkeiten für die Leitung einer gemeinnützigen Organisation mit langjähriger Tradition erworben. Man muss sich auch immer an veränderte Umstände anpassen können.

Omni ist bekannt für Live-Konzerte auf hohem Niveau. Wie übertragt ihr diese Qualität in die digitale Welt?
Der Auslöser für den Einstieg von Omni in die digitale Welt war die Pandemie. Andere Veranstalter versuchten sich an Live-Streaming-Konzerten und verlangten dafür hohe Ticketpreise. Richard beschloss, Künstlerinnen nach San Francisco einfliegen zu lassen und sie dort bei der Aufführung ihres Programms aufzunehmen, um die Aufnahmen dann kostenlos auf unserem YouTube-Kanal zu veröffentlichen. Das inspirierte andere Künstler*innen, sich ebenfalls zu beteiligen, und führte dazu, dass Xuefei Yang ihr Konzert in Peking, Marko Topchii in Kiew und David Russell in Kirchen in ganz Spanien filmten. Ich glaube, es war die Präsentation von Weltklasse-Gitarrist*innen in hochwertigen Videos, die zum organische Wachstum des YouTube-Kanals von Omni geführt hat, der mittlerweile über 100.000 Abonnentinnen und 20 Millionen Aufrufe hat. Wir arbeiten nun eng mit D'Addario, Alhambra und einigen ausgewählten Festivals in ganz Europa zusammen.

Da du jetzt in Europa lebst: Was ist deiner Meinung nach der Unterschied zwischen der Rezeption der klassischen Gitarre hier und in den USA? 
Das ist eine großartige Frage. Es ist interessant, in Berlin zu sein, von dem manche behaupten, dass es keine “Gitarrenstadt” sei. Allerdings leben hier mehrere unglaubliche klassische Gitarrist*innen wie Carlo Domeniconi, Tal Hurwitz, Kanahi Yamashita, Eva Beneke, Marco Tamayo und Willi Leinen ;) … um nur einige zu nennen. Die Gitarrenfestivals in Europa sind unvergleichlich. David Tanenbaum sagte einmal, dass er das Gefühl habe, dass die Gitarre in Europa als künstlerisches Instrument mit einer femininen Energie angesehen werde, im Gegensatz zu ihrem machohaften Pendant in den USA. Ich würde sagen, dass die klassische Gitarre in den USA vor allem als exotisches Instrument aus fernen Landen geschätzt wird. In Europa hingegen wird sie vielleicht eher als Teil der Kultur angesehen.

Wie sieht deine persönliche Vision für die Zukunft der klassischen Gitarre in den nächsten zehn Jahren aus? 
Die klassische Gitarre wird es immer geben, weil sie den Menschen so viel bedeutet. Man lässt sich leicht von den neuesten Trends bei Wettbewerben und Innovationen im Gitarrenbau mitreißen, aber der Kern der klassischen Gitarre liegt in den Herzen der Spieler*innen und der Zuhörer*innen – und er wird niemals verschwinden, stellt er doch in diesem künstlichen, zuckersüßen Zeitalter der KI eine willkommene Erholung dar. Die klassische Gitarre ist ehrlich, und ich würde mir wünschen, dass in den nächsten zehn Jahren mehr Menschen mit dem klassischen Gitarrenspiel beginnen, um zu erfahren, wie es ist, etwas so Intimes mit den eigenen Händen zu spielen. Der Suzuki-Gitarrenpionier Frank Longay glaubte, dass Gewalt verschwinden und die Welt heilen würde, wenn nur jeder Musik spielen würde. Ich bin Optimist, was soll ich sagen?

Wenn du einen Satz auf ein Plakat drucken lassen könntest, das in riesiger Auflage bei allen (klassischen) Musik-Festivals der Welt hängen würde. Welcher wäre das? 
Übung bringt Fortschritte und Fortschritte bringen mich zum Üben.

FEEL-GOOD-MELODIE DER WOCHE
mit Avi Vital

Eine beschwingte und positive Melodie! Da hat man gleich Lust, morgens aus dem Bett zu springen. Oder mitten am Tag mal in den Himmel schauen. Stress? Bad News? Kurz die Kopfhörer auf, die Haare in den Wind und aufgesprungen auf den Zug der guten Laune!

Unsere Feel-good-Melodie der Woche!

OUTRO

Vielen Dank fürs Lesen! Anregungen und Anmerkungen gerne direkt als Antwort auf diese Ausgabe. Neue Musikentdeckungen – auch von Artists, über die wir in der heutigen Ausgabe geschrieben haben – wie immer in unserer Spotify-Playlist zum Newsletter, die wir weiter unten verlinkt haben.

Seid gut zueinander.

Wir hören und lesen uns!

Stefan & Willi

supported by

New Classical Guitar ist ein Newsletter von Willi Leinen und Stefan Degel von TMBM. Unsere Musik und weitere Infos zu unserem Werdegang findet ihr unter t-m-b-m.com

Auf Spotify kuratieren wir eine Playlist mit unseren Lieblingsstücken. Ihr könnt unserer New Classical Guitar Playlist unter https://open.spotify.com/playlist/3ZwxJRAsW9Zs2JiS2eLy6a?si=9b2a737f01c043a4 folgen und uns gern neue Empfehlungen schicken.