Ausgabe 4

In dieser Ausgabe: Jesse Flowers spielt Manuel Maria Ponce, Noten von Eric Trejo y Santiago, das Album der Ausgabe mit Christopher Mallet, Know How mit Friederike Linscheid und Adrian Heinzelmann und tolle Musik von Victor Santana & Emilia Lomakova

Hey!

In der vorliegenden Ausgabe haben wir uns in der Rubrik YouTube-Fund der Woche eine wunderbare Interpretation der Sonate lll von Manuel M. Ponce angesehen.

Außerdem gibt es Noten von Eric Trejo y Santiago zum Download. Das Album der Woche ist diesmal etwas ganz Besonderes. Nicht Sor, nicht Coste, nicht Giulliani, sondern Justin Holland. Schon mal gehört im Zusammenhang mit dem 19. Jahrhundert? Außerdem hatten wir die Freude, in unserem Know-How Kurz-Interview mit zwei fantastischen Gitarrenbauer*innen zu sprechen. Zu guter Letzt “Gitarre und…” Cello! Eine fantastisch klingende Kombination. Arrangiert wurde ein Orchesterstück des brasilianischen Komponisten Heitor Villa-Lobos. Fantastisch, dass Victor Santana, ebenfalls Brasilianer, sich dieser Aufgabe gewidmet hat.

Viel Spaß beim Lesen!
Stefan & Willi

YOUTUBE-FUND DER AUSGABE
Jesse Flowers spielt Sonate lll von Manuel Maria Ponce

Die Sonate III von Manuel M. Ponce ist eine Komposition, in der so viele wunderschöne Momente zu hören sind. Das beginnt schon im ersten Satz (Allegro Moderato) mit dem Anfangsthema. Lyrisch erklingen die ersten Takte, wie eine Erinnerung an einen warmen Sommertag, und bei aller durchschimmernden Melancholie dennoch dramatisch durch die eingesetzten Bassläufe. 

Jesse Flowers nimmt uns von der ersten Sekunde an voll mit und führt klar, elegant und nachvollziehbar durch die Sonate, sodass man keinen Moment versucht ist, sich diesem Bann entziehen zu wollen. Was uns auch sehr gefällt, ist, dass in diesem Video lediglich der Musiker ganz dezent ausgeleuchtet wird, ansonsten herrscht schwarze Stille im Hintergrund. Voller Fokus also auf das Wesentliche. Musikalisch erscheinen uns die Momente, in denen sich das spielerische Geschehen beruhigt, als besondere Highlights. Wie in der Mitte des 2. Satzes (Chanson) oder auch immer wieder im letzten Satz, wenn die in Akkorde eingebetteten Flageoletts die etwas bewegteren Läufe nebst Tremolo-Passagen ablösen. 

Diese Interpretation ist ein einziger musikalischer Fluss. Unbedingt ansehen! Wir jedenfalls sind ganz gerührt.

NOTEN
Eric Trejo y Santiago – Intermezzo I

Für die heutige Ausgabe hat uns Eric Trejo ein, wie wir finden, 1a passendes Stück geliefert. Seine Komposition trägt den Titel “Intermezzo I” und ist damit wie prädestiniert für unseren Newsletter: Ein unterhaltsames Stück Musik für zwischendurch. Üben muss man es vorher wohl trotzdem ein wenig. Mit solidem Bassgroove und minimalistischer Melodie ausgestattet, gleitet das Intermezzo harmonisch schwebend dahin. Wir hatten ordentlich Spaß beim Auschecken und fanden, dass man bei seiner eigenen Interpretation viel Freiheit in der Ausgestaltung haben kann. Man kann hier viel ausprobieren und sich an vielen möglichen Versionen erfreuen.

Vielfältig zeigt sich auch Eric Trejo selbst. Mit seinen mexikanischen Wurzeln widmet er sich viel der volkstümlichen Musik seiner Heimat und arrangiert und komponiert in ebendiesem Stil für sein Gitarrenduo “Aleph Duo” oder die Collab mit dem chilenischen Gitarristen Rodrigo Santa María. Inspiriert nicht zuletzt durch seine langjährige Erfahrung in der Neuen Musik- und Free Jazz-Szene Berlins findet er immer wieder neue kompositorische Wege, der Tradition eine Zukunft zu geben.

Mehr zu Erics Arbeiten via www.erictrejo.com

ALBUM DER AUSGABE
Christopher Mallet - JUSTIN HOLLAND – GUITAR WORKS AND ARRANGEMENTS (rediscovered) (2023)

Justin Holland? Habt ihr den Namen schon mal in Zusammenhang mit klassischer Gitarre gehört? Wir bisher jedenfalls nicht und das erstaunt ein wenig, gehörte er doch zu den einflussreichsten Gitarrist*innen Nordamerikas im 19. Jahrhundert. Das Besondere im historischen Kontext: Er war Afroamerikaner. Insofern ist Christopher Mallets Aufnahme “Justin Holland: Guitar Works & Arrangements” viel mehr als eine neue Interpretation von bereits erschienenen Alben mit einschlägigen Komponist*innen des klassischen Kanons. Eher eine spannende Entdeckungsreise in den Kosmos eines scheinbar mehr oder minder Vergessenen. Klanglich und kompositorisch wirst du sicher ein vertrautes Gefühl haben. Dennoch wirken die Stücke frisch und neu! Vielleicht möchte der*die ein oder andere dieses Album als Inspiration nehmen, selbst in die musikalische Welt von Holland einzutauchen. Große Empfehlung!

KNOW-HOW 
Friederike Linscheid und Adrian Heinzelmann über Gitarrenbau

Im folgenden Interview gewähren uns die beiden Gitarrenbauer*innen Friederike Linscheid und Adrian Heinzelmann aus Berlin einen kleinen Einblick in ihre Arbeit. 

Sie haben sich mittlerweile in der (inter)nationalen Szene mehr als etabliert, weshalb die starke Nachfrage nach Ihren Gitarren nicht verwunderlich ist. Und völlig berechtigt, wie wir finden!

Welcher Arbeitsschritt macht euch am meisten Spaß?

Friederike: Alle Arbeitsschritte, bei denen ich etwas formen und gestalten kann: den Halsfuß schnitzen, die Details an meiner modernen Rosette und am Kopf. Es sind die feinen Unterschiede in diesen Details, die den Instrumenten Persönlichkeit verleihen.

Adrian: Ich wickele sehr gerne Ränder, das hat eine gute Balance aus Herausforderung und Routine.

Mit welchem Holz arbeitet ihr am liebsten, was sind die klanglichen Unterschiede?

Friederike: Es fällt mir nicht ganz leicht, das zu beantworten. Ich arbeite lieber mit Fichte, weil mir ihr strahlender Spiegel so gefällt. Aber am fertigen Instrument hängt es ganz von dem*der Spieler*in ab. Vereinfacht würde ich sagen, dass Gitarren mit Fichtendecke etwas heller und transparenter sind und etwas mehr Farben haben, während Gitarren mit Zederndecke etwas kräftiger und wärmer im Klang sind. Bei Boden und Zargen ist der Unterschied noch schwerer zu fassen. Ich verbaue hier sehr gerne Ahorn, das ist immer etwas Besonderes, aber ich benutze auch gerne Palisander.

Adrian: Ich arbeite sehr gerne mit indischem Palisander. Der lässt sich sehr gut verarbeiten und hat auch sehr schöne Farben. Aber ich habe auch einige sehr schöne Gitarren mit Madagaskar-Boden und -Zargen gebaut. Beim Deckenmaterial hängt es auch bei mir sehr stark von dem*der Spieler*in ab, was ich bevorzuge.

Welches Instrument hat den weitesten Weg zu seinem*seiner Käufer*in zurückgelegt?

Friederike: Ein sehr früher Kunde von mir hat eine Gitarre mit nach Taiwan genommen. Ich denke, das war das Weiteste.

Adrian: Ich hatte in letzter Zeit einige Bestellungen aus sehr weit entfernten Ländern. Letztens habe ich z. B. eine Gitarre nach Singapur geschickt. 

Habt ihr eine lustige/interessante Anekdote zu einem Instrument:

Friederike/Adrian: Letzten Herbst waren wir auf einer Gitarrenkonferenz in Toulouse und haben dort einige französische Gitarrenstudierende kennengelernt. Zwei von ihnen hätten die Gitarren sehr gerne gekauft, aber sie waren für Siccas, den Gitarrenhändler. Wir haben die Instrumente im Anschluss direkt dorthin gebracht und sie waren instant verkauft. Ein paar Tage später haben wir von den Studierenden dann jeweils ein Bild mit ihren neuen Gitarren bekommen. Sie haben sich die Gitarren einfach bei Siccas gekauft. Der Student, der Adrians Gitarre gekauft hat, hat dann direkt damit einen Wettbewerb gewonnen und ihm geschrieben, seine Kolleg*innen hätten sich bei ihm beschwert, die Gitarre wäre ein „Cheat“.

Hier findet ihr weitere Infos zu Friederike und Adrian und ihren Instrumenten.

Friederike Linscheid auf Instagram: https://www.instagram.com/friederike_linscheid_guitars?

Adrian Heinzelmann auf Instagram: https://www.instagram.com/adrianheinzelmann?

GITARRE UND…
Victor Santana & Emilia Lomakova spielen Bachianas Brasileiras No. 2

Viele Gitarrist*innen kennen die Bachianas Brasileiras No. 5 von Heitor Villa Lobos oder haben diese möglicherweise selbst bereits aufgeführt. Die Bachianas Brasileiras No. 2 ist eventuell etwas weniger bekannt, jedoch nicht minder schön. Original komponiert für Orchester, diente für dieses Arrangement als Grundlage und Inspirationsquelle die Ausgabe für Klavier und Cello. Emilia Lomakova (Cello) und Victor Santana (Gitarre, Arrangement) bezaubern uns durch ein fein justiertes Zusammenspiel und einen sehr ausgewogenen Klang, wodurch diese intime Version des Stückes keine Wünsche offen lässt. Auch wenn man vorab meinen könnte, einige Farben der Orchesterversion seien nur schwer zu imitieren. Die Video-Perspektive finden wir auch spannend. Sie lässt die Interpretierenden wie auf einem Nebenschauplatz erscheinen. Und das in einem menschenleeren Saal ohne spezielle Accessoires oder Ähnliches. Dieser Effekt verstärkt den intimen Charakter der Performance. Auschecken, reinziehen lassen!

OUTRO

Wir hoffen, dass du dir mit dieser Ausgabe etwas Inspiration für die nächsten zwei Wochen holen konntest. Wir hatten viele neue Einblicke in die vielschichtige Welt der Gitarre und uns ist wieder mal aufgefallen, wie viele fantastische Musiker*innen es in der Szene gibt und wie vieles man immer wieder neu entdecken kann. Über Hinweise sind wir stets dankbar. Also schreib uns, wenn du eine neue spannende Entdeckung gemacht hast.

Bis in zwei Wochen.

Lieb gegrüßt,
Stefan & Willi

New Classical Guitar ist ein Newsletter von Willi Leinen und Stefan Degel von TMBM. Unsere Musik und weitere Infos zu unserem Werdegang findest du unter t-m-b-m.com

Auf Spotify kuratieren wir eine Playlist mit unseren Lieblingsstücken. Du kannst unserer New Classical Guitar Playlist unter https://open.spotify.com/playlist/3ZwxJRAsW9Zs2JiS2eLy6a?si=9b2a737f01c043a4 folgen und uns gern neue Empfehlungen schicken.